Die richtige Abrolltechnik
beim Laufen

Die richtige Abrolltechnik
beim Laufen

Viele Fakten sprechen für die eine, aber auch für die andere Technik, sodass die Frage im Kontext verschiedener Gesichtspunkte diskutiert werden muss.

Fußaufsatz und Lauftechnik

Wie der Fuß auf den Boden aufgesetzt wird – das bestimmt maßgeblich die Lauftechnik. Folgende Laufstile werden unterschieden: Vorfuß- oder Ballenlauf: Fußaufsatz im vorderen Drittel der Laufsohle. Mittelfußlauf: Fußaufsatz im mittleren Drittel der Laufsohle. Rückfuß- oder Fersenlauf: Fußaufsatz im hinteren Drittel der Laufsohle.

Die drei genannten unterschiedlichen Lauftechniken haben Einfluss auf die Belastung des Stütz- und Bewegungsapparates, auf die energetische Beanspruchung, auf die muskuläre Ermüdung und den Wirkungsgrad.

Eine Änderung des Fußaufsatzes führt häufig zu einer veränderten Lauftechnik. Beim Fersenläufer besteht die Gefahr eines „passiven Fußaufsatzes“ deutlich vor dem Körperschwerpunkt, der mit relativ gestrecktem Bein und verstärkt gebeugtem Sprunggelenk (Dorsalflexion) erfolgt. Beim Mittel- und Vorfußlauf hingegen kommt meist ein eher „aktiver Fußaufsatz“ dichter unter dem Körperschwerpunkt zum Tragen. Dabei wird der Fuß tendenziell mit einer stärkeren Kniebeugung und eher neutralem bzw. leicht gestrecktem Sprunggelenk (Plantarflexion) aufgesetzt. Wird der Fuß in der weiteren Stützphase bis zum leichten Fersenkontakt abgesenkt, können die viskoelastischen Eigenschaften des Binde- und Stützgewebes optimal genutzt werden. Durch eine hohe Flexibilität im Sprunggelenk kann eine effektive Schrittgestaltung (z. B. Schrittverlängerung nach hinten) erreicht werden.

Einfluss der Lauftechnik auf die Belastung des Stütz- und Bewegungssystems

Die Belastungen, die beim Vorfuß-, Mittelfuß- und Rückfußlaufen auf Knochen, Gelenke, Bänder, Sehnen und Muskulatur wirken, sind unterschiedlich und werden wesentlich vom Ausmaß der Pronations- (Einwärtsknicken), Supinations- (Auswärtsknicken) und Torsionsbewegung (Verdrehung) des Fußes in der Bodenkontaktphase (Lande- bis Abstoßphase) bestimmt. Ein optimaler Laufschuh kann dazu beitragen, die auftretenden Belastungen adäquat zu verteilen. Analysiert man die Bodenreaktionskräfte bei den drei Lauftechniken, so lassen sich bezüglich der auftretenden Gesamtkraft meist keine Unterschiede ausmachen, d. h. unabhängig von der Lauftechnik treten je nach Laufgeschwindigkeit und Geländeprofil Belastungen von etwa dem 1,5- bis 3-fachen der Körpergewichtskraft auf. Unterschiede zeigen sich allerdings im zeitlichen Verlauf der auftretenden Kräfte und in der Verteilung unter dem Fuß. Beim Rückfußlaufen kommt es innerhalb von wenigen Millisekunden zu einer ersten hohen Kraftspitze (Impact), hervorgerufen durch den Fersenaufsatz. Aufgrund der schnellen Einwirkung können diese Kräfte nicht aktiv von körpereigenen visko-elastischen Strukturen (Sehnen, Muskulatur), sondern nur passiv u. a. über den Laufschuh und die Strukturen von Knochen, Bändern, Sehnen und Knorpeln gepuffert werden. Bei physiologischen Gelenkstellungen und adäquatem Schuhwerk werden diese Kraftspitzen (Impactbelastungen) dennoch von Läufern gut toleriert. Kommt es hingegen zusätzlich aufgrund von ausladenden Sohlen, extremen Pronations- oder Supinationsbewegungen zu übermäßigen Zug- und Scherkräften, sind Überbeanspruchungsreaktionen (Achillessehnenbeschwerden, Knie- und Rückenschmerzen) vorprogrammiert. Beim Vorfuß- und Mittelfußlaufen entstehen höhere Belastungen im Bereich der Zehengrundgelenke und der Mittelfußknochen. Sowohl die gesamte Fußmuskulatur als auch die Waden- und Schienbeinmuskulatur wird aufgrund des „federnden“ Nachgebens im Sprunggelenk stark muskulär beansprucht. Dadurch treten starke Ermüdungen in dieser Muskulatur bei längeren Läufen auf, ein Grund, warum ein Marathon nur in Ausnahmefällen über die gesamte Distanz über den Vorfuß gelaufen werden kann. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Laufen über den Vor- und Mittelfuß eine geringere Belastung für den passiven Bewegungsapparat darstellt, allerdings häufig eine höhere muskuläre bzw. energetische Beanspruchung erfordert.

Geländeprofil und Lauftechnik

Bei einer Überprüfung des Laufverhaltens beim Flachlaufen und Berganlaufen fällt schnell auf, dass fast immer ein Wechsel der Lauftechnik beim Berganlaufen vom Rückfußläufer hin zum Mittel- bzw. Vorfußläufer erfolgt. Der Technikwechsel führt auch zu einer veränderten Belastung des Fußes. Der Fersenbereich wird entlastet und die Belastung im Ballenbereich nimmt zu. Die Kraft-Zeit-Kurve verläuft beim Berganlaufen flacher und weist keine Kraftspitze (Impactpeak) auf. Dieser Selbstorganisationsprozess beim Übergang vom Rückfuß- zum Vorfußlaufen lässt sich bei vielen Läufern beobachten. Sie wechseln die Lauftechnik in Abhängigkeit von Gelände und Geschwindigkeit. Der Wechsel findet statt, wenn es für das System energetisch günstiger ist oder wenn muskuläre Ermüdung einen Technikwechsel zur Kompensation erfordert. Die Selbstorganisation hängt von vielen weiteren Faktoren ab und ist nicht bei allen Läufern vorhanden, kann aber durch motorisches Training erlernt werden. Ein bewusst eingesetzter mehrfacher Wechsel von „bergauf“ und „bergab“ innerhalb einer Trainingseinheit verlangt die permanente Umstellung von der einen zur anderen Lauftechnik und setzt eine gute Kraftausdauer der Muskulatur voraus.

Streckenlänge, Geschwindigkeit und Ermüdung

Bekanntlich werden die Sprintstrecken über den Vorfuß, die Mittelstrecken vorrangig über den Mittelfuß und die Langstrecken primär über den Rückfuß gelaufen. Ausnahmen bestimmen auch hier die Regel. Doch wird niemand einen 50-m-Sprint über den Rückfuß oder einen Marathon über den Vorfuß effektiv bestreiten wollen. Die Grenzen, ab wann das Vorfußlaufen sinnvoller als das Rückfußlaufen ist, sind fließend und von Läufertyp zu Läufertyp verschieden. Aufgrund der enormen Geschwindigkeiten im Spitzenbereich der Langstreckenläufer ist es nicht verwunderlich, dass auch hier das Gros der Athleten mit dem Mittel- bzw. Vorfuß aufsetzt, zumindest im frischen Zustand. Bei zunehmender Ermüdung des Sportlers tritt meist eine verstärkte Tendenz zum Rückfußlaufen ein. Ähnliche Erfahrung hat auch der Weltklasse-Triathlet Lothar Leder gesammelt. Er läuft einen 10-km-Laufwettkampf primär über den Mittelfuß und trägt dazu einen leichten Wettkampfschuh. Im Triathlon hingegen ist die Ermüdung nach dem Radfahren bereits so stark, dass der abschließende Lauf im Triathlon für ihn nur noch über ein Rückfußlaufen möglich ist. Dementsprechend bevorzugt er dann auch einen stabileren, besser führenden Schuh mit gutem Dämpfungssystem.

Umstellung der Lauftechnik

Die Umstellung der Lauftechnik beispielsweise vom Rückfuß- zum Mittelfußlaufen ist nicht von einer zur anderen Trainingseinheit möglich. Es bedarf hoher Anstrengung und eines langen Atems, seinen gewohnten Laufstil zu ändern. Jede Veränderung führt zunächst einmal zu einer anderen Beanspruchung von Muskulatur, Sehnen (z. B. Achillessehne), Bändern und Gelenken. Beim Mittelfußlaufen wird z. B. die Wadenmuskulatur um ein Vielfaches höher beansprucht als beim Rückfußlaufen. Häufig ist auch ein anderer Laufschuh erforderlich. Wird die Umstellung zu schnell vollzogen, bleibt dies meist nicht folgenlos. Dabei können erhebliche Beschwerden und Überbeanspruchungsreaktionen auftreten. Von daher sollte die Änderung der Lauftechnik schrittweise über einen Zeitraum von mehreren Monaten geplant und mit einem erfahrenen Lauftrainer durchgeführt werden. Als Zeitpunkt eignet sich die Übergangs- und Vorbereitungsphase. Umstellungen in der Wettkampfphase sollten vermieden werden. In den ersten Trainingseinheiten sollte der Wechsel von der einen zur anderen Lauftechnik mehrmals auf flachen Strecken mit festem Laufbelag geübt werden. Die Übungsphase sollte immer am Anfang der Trainingseinheit eingebaut und stetig verlängert werden. Ergänzend zum Lauftraining ist ein spezielles Motoriktraining (Lauf-Abc) sinnvoll.

Erlernen einer variablen Lauftechnik

Der Vorfuß-, Mittelfuß- und Rückfußlauf sind natürliche Lauftechniken, die Anwendung in jedem abwechslungsreichen Lauftraining finden können. Wer variabel und situativ angemessen die einzelnen Techniken einsetzt, wird nicht nur den muskulären Wirkungsgrad erhöhen, sondern beugt auch Überbelastungsreaktionen vor. Einen „natürlichen Laufstil“ haben Sportler, wenn sie auf jede Situation mit der adäquaten Lauftechnik reagieren. Leider ist die Sensibilität für das unterschiedliche Abrollverhalten selbst im Leistungssport nicht immer vorhanden, da auch hier primär Trainingsumfänge und -intensitäten und weniger die Lauftechnik Berücksichtigung finden.

 

Prof. Dr. Kuno Hottenrott
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Sportwissenschaft

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