Überlastungs­beschwerden beim Ausdauersportler

Überlastungs­beschwerden beim Ausdauersportler

70 Prozent aller Läufer erleiden innerhalb eines Jahres Überlastungsbeschwerden, die sie durchschnittlich 7 bis 10 Tage an der Ausübung ihres Sportes hindern.

­Missachtung wichtiger Trainingsprinzipien kann zu Problemen führen

Besonders im Lauf- und Radsport ist die Kniegelenksregion das am häufigsten von Überlastungsbeschwerden betroffene Gebiet (40 Prozent aller Beschwerden). In der Regel handelt es sich um Schmerzsyndrome von Sehnenansätzen der auf das Kniegelenk einwirkenden Muskulatur. Obwohl diese Beschwerden meistens harmloserer Natur sind, können sie die Lebensqualität des Ausdauersportlers erheblich einschränken. Die Schmerzen treten in der Regel während der Belastung auf und klingen einige Zeit nach Beendigung der Belastung wieder ab. In fortgeschrittenem Zustand können sie auch dauerhaft bei Alltagsbelastungen auftreten. Ein „Durchlaufen“ durch den Schmerz kann die Situation erheblich verschlechtern. Im Ruhezustand sind oft keine Auffälligkeiten zu finden, mit Ausnahme eines möglichen lokalen Druck- oder Klopfschmerzes und eventuell einer leichten Weichteilverdickung.

Obwohl die Auslöser solcher Überlastungsbeschwerden ausgesprochen vielfältig sein können, spielen die Missachtung wichtiger Trainingsprinzipien und biomechanische Fehlbelastung eine dominierende Rolle. Viele Ausdauersportler halten ein adäquates Aufwärm- und Abwärmprogramm nicht für notwendig. Ein richtiges aktives Aufwärmen bewirkt aber eine verbesserte Durchblutung der arbeitenden Muskel-Sehneneinheit, ein besseres Zusammenspiel zwischen Beuge- und Streckmuskulatur, eine verminderte Steifigkeit der Muskulatur und eine leichte Erhöhung der Gesamtkörpertemperatur. Diese Faktoren ermöglichen einen besseren An- und Abtransport von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten im Muskel und gleichzeitig geringere Widerstände und Störungen bei der Muskelkontraktion. Der Muskel wird so gezielt auf nachfolgende intensivere Belastungen vorbereitet, das Risiko von Verletzungen und Überlastungsschäden verringert. Ein weiterer wichtiger Trainingsfehler ist die Missachtung der notwendigen Anpassungs- und Regenerationszeiten der Gewebe.

Vor allem Gelenkknorpel und Sehnengewebe benötigen längere Zeiträume als die Muskulatur, um sich an erhöhte Belastungsumfänge und -intensitäten anpassen zu können. Exzessive Trainingsumfänge bzw. zu rasche Umfangs- und Intensitätssteigerungen sind der häufigste Auslöser von Überlastungsbeschwerden. Besonders zu Saisonbeginn ist beim Trainingsaufbau Zurückhaltung und Geduld angezeigt. Nicht ganz zufällig treten Überlastungsbeschwerden vielfach zu Frühjahrsbeginn (v. a. im Radsport) auf.

Häufiger Auslöser von Beschwerden: biomechanische Faktoren

Für den Läufer stellen Schuhwerk und Geländebeschaffenheit zwei wichtige Faktoren dar, die zur Auslösung von Überlastungsbeschwerden beitragen können.

Ein günstiger Untergrund ist eben, stabil und etwas weich (z. B. ebene Waldwege). Bei sehr profiliertem Gelände kann vor allem längeres ungewohntes Bergablaufen durch die hohe exzentrische (= Brems-)Belastung der arbeitenden Muskulatur zu Beschwerden führen. Ein dauerhaft nach einer Seite geneigter Untergrund (z. B. Meeresstrand oder gewölbte Straße) ist durch die zwangsläufige Asymmetrie des Laufverhaltens besonders ungünstig. Ein schlecht sitzender oder abgelaufener Schuh führt zu Störungen beim Fußaufsatz und -abdruck und begünstigt somit die Entstehung von Überlastungsbeschwerden. Beim Radfahrer gelten ähnliche Kriterien für die Rahmengeometrie (= Passform). Stimmen Rahmenhöhe/länge, Sattelhöhe/neigung, Sattelposition in Bezug zu den Pedalen, Pedalsystem und Fußstellung im Pedal, Lenkervorbau/höhe nicht mit den anatomischen Gegebenheiten des Athleten überein, sind Überlastungsbeschwerden vor allem bei umfangreichem Training fast vorprogrammiert.

Anatomische Varianten (z. B. Senk-, Spreiz- oder Knickfuß, O-Bein, X-Bein, Beinlängendifferenzen etc.) können für den Audauersportler ebenfalls ein Problem darstellen. Ein Läuferfuß setzt ungefähr 3000-4500-mal pro Stunde bei einer Krafteinwirkung vom 2-3fachen des Körpergewichtes auf, ein Radfahrer vollführt bei einer Trittfrequenz von 90/min 5400 Pedalumdrehungen pro Stunde. Durch diese häufig wiederholten Bewegungsstereotypien unter Belastung können auch kleinere anatomische Abweichungen, die im normalen täglichen Leben keinerlei Probleme bereiten, zu Störungen führen. Anatomische Varianten, die mit einer Hyperpronation (zu starkes Nach-Innen-Knicken) des Fußes einhergehen, führen häufig zu Überlastungsreaktionen im Unterschenkel- und Kniegelenksbereich.

Folgende anatomische Varianten begünstigen eine Hyperpronation des Fußes: abgeflachtes Fußgewölbe, O-Bein, Verkürzungen in der Funktionseinheit Achillessehne-Wadenmuskulatur. Auch beim Radsportler kann es zur Hyperpronation mit dem vermehrten Risiko von Überlastungsreaktionen kommen. Zu eng stehende Pedale, ein zu niedriger Sattel und eine Rotationsabweichung des Fußes auf dem Pedal nach innen sind die häufigsten technisch-mechanischen Ursachen. Eine echte Beinlängendifferenz, die zu Problemen überwiegend im längeren, mehr belasteten Bein führen kann, muss eventuell durch Absatzerhöhung beim Läufer bzw. durch Schuh/Pedalunterlagen am Rad auf der Seite des kürzeren Beines ausgeglichen werden, um den Bewegungsablauf zu harmonisieren.

Allgemeine Vorbeugung von Überlastungsbeschwerden:

Aufwärmen und Cool-Down nicht vernachlässigen. Übermäßige Trainingsumfänge und vor allem zu rasche Steigerungen von Umfang und Intensität vor allem zu Saisonbeginn vermeiden. Evtl. Korrekturen (orthopädische Sportschuheinlagen, Absatzkorrekturen) anatomischer Abweichungen durchführen lassen, sofern sich dies ärztlicherseits als notwendig erweist.

Für Läufer:
Abgetragenes, altes Schuhwerk ausmustern, auf gut sitzenden, ausreichend gedämpften Laufschuh mit stabiler Fersenkappe und ausreichend Zehenfreiheit achten, längeres Laufen auf schräg abfallendem Untergrund vermeiden, längeres Bergablaufen in ermüdetem oder ungewohntem Zustand vermeiden.

Für Radfahrer:
individuell zu den eigenen anatomischen Verhältnissen passende Rahmengröße, Sattelhöhe, -neigung und -position korrekt einstellen, Klickpedale mit Rotationsfreiheit für den Fuß verwenden, auf korrekte Fuß- und Schuhstellung im Klickpedal achten, niedrige Trittfrequenzen mit hohen Belastungen nur nach entsprechender Aufwärmarbeit und Gewöhnung.

Behandlung der Beschwerden

Fast alle Muskeln, die auf das Kniegelenk einwirken und häufiger von Überlastungsbeschwerden oder auch akuten Verletzungen betroffen sind, sind zweigelenkig. Sie entspringen größtenteils am Becken, ziehen über Hüft- und Kniegelenk und wirken somit auf beide Gelenke. Jede Störung der Beckenmechanik (z.B. Blockierungen im Kreuzbein-Darmbeingelenk = ISG) wird daher zu einer Störung des Zusammenspiels der am Becken entspringenden Muskulatur führen und kann primär oder sekundär an der Entstehung von Überlastungsbeschwerden, z. B. im Kniegelenksbereich, wo diese Muskeln ansetzen, beteiligt sein. Grundsätzlich sollte nach ursächlichen Faktoren im Bereich Training, Biomechanik und Anatomie gefahndet werden.

Eine zu weit nach innen gedrehte Fußposition auf dem Pedal kann z. B. an der Entstehung eines Tractus-Scheuersyndroms an der Knieaußenseite verantwortlich sein. Die Korrektur der Fußstellung wäre somit auch die wesentliche Behandlung. Die lokalen therapeutischen Maßnahmen, d. h. die Therapie am Ort des Schmerzgeschehens ist bei allen Überlastungssyndromen relativ ähnlich: Eisbehandlung im akuten Stadium, lokal und evtl. systemisch antientzündliche Therapie, Quermassagen, Elektrotherapie, evtl. Laserbestrahlung, Lockerung verspannter Muskelteile.

Eine vorübergehende Unterbrechung der körperlichen Aktivitäten, die die Schmerzen hervorrufen, ist unumgänglich, das Ausweichen auf schmerzfrei durchführbare Sportarten in der Regel gut möglich.Nicht ganz selten kommt es ohne Trainingsfehler oder biomechanische Störungen bei gleichbleibendem Training, das bisher schon längere Zeit gut vertragen wurde, zu Überlastungsreaktionen, ohne dass sich bei der Untersuchung irgendwelche Hinweise auf entzündliche Prozesse ergeben. In diesen Fällen handelt es sich häufig um Störungen des neuromuskulären Gleichgewichtes, dessen Ursachen außerordentlich vielfältig und z. T. fernab vom eigentlichen Schmerzgeschehen liegen können. Hier bieten die manuelle Therapie, die Osteopathie, die Applied Kinesiology und die traditionelle chinesische Medizin alternative effektive Möglichkeiten der Behandlung.

Wenn die Beschwerden längere Zeit andauern, muss in jedem Fall an einige, zwar selten auftretende, aber ernste Erkrankungen gedacht werden, nach denen mit den entsprechenden diagnostischen Möglichkeiten (Blutuntersuchung, bildgebende Verfahren, Szintigrafie etc.) gefahndet werden muss: Rheumatisch entzündliche Erkrankungen, degenerative (z. B. Schäden der Menisken oder des Gelenkknorpels) und/oder entzündliche Gelenkprozesse, Tumoren des Knochens oder der Weichteile, Ermüdungsbrüche sind nur einige Beispiele, die erkannt und einer differenzierten Therapie zugeführt werden müssen. Vor einer Selbstdiagnose und Therapie durch den Athleten sei daher gewarnt.

 

Dr. med. Jürgen Zapf
ZaGoMed – Gesellschaft für präventive Gesundheitsleistungen und Sportmedizin
Bayreuth

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